Schrift umgibt uns so zahlreich, dass die Formen der Buchstaben in den Hintergrund zutreten scheinen, jedoch unbewusst ihre Wirkung entfalten. Vorgeprägt von unserer Herkunft und Sozialisation, unserem kulturellen Erbe und Erfahrungen nehmen wir den Schriftzug als auffallend, angenehm, inspirierend oder abstoßend wahr.
Fotos meiner Recherchen zum kleinen Buchstaben G:
Die Gestaltung der Buchstaben beschäftigt seit Jahrhunderten Künstler und Grafiker. Jede Schriftenreihe hat ihren eigenen Charakter und erfüllt eine Funktion. Sie steht für einen zeitlichen, künstlerischen und räumlichen Bezug. Der Anwendungsbereich einer Schrift wurde in den letzten Jahrhunderten durch die Größen definiert. So gab es die Schriften für extrem kleine Veröffentlichungen: die Anzeigenblätter um das 19. Jahrhundert. Die mittleren Größen für die Buch- bzw. Textschriften. Die großen und fetten: die Plakatschriften, die sich in den Proportionen deutlich von den Text- und Anzeigenschriften unterschieden.
Der einzigartige Charakter einer Schrift wird durch die Form jedes einzelnen Buchstabens geprägt. Und jeder Buchstabe hat seinen eigenen Möglichkeiten der Aufnahme eines die Schrift prägenden Charakters. Von diesen, meinen Gedanken, ausgehend, habe ich den Charakter eines Buchstabens in der Studie
Das kleine g – Eine experimentelle Studie
untersucht. Entstanden ist die Arbeit innerhalb der Weiterbildung Typografie Intensiv[1], angeboten von Gorbach Seminare.
Mir fiel das kleine g durch seine besondere Gestaltungsmöglichkeit auf. Ich achtete bewusster auf den Einsatz dieses einen Buchstabens in Veröffentlichungen, auf Plakaten, auf Gebäuden, in Firmenbezeichnungen …
Ich sprach mit verschiedenen Fachleuten und fragte sie nach ihrem Empfinden und nach der Bedeutung des kleinen g in ihrem Fachbereich. Vielen Ansatzpunkten bin ich gefolgt und habe die Recherchen in der Studie verarbeitet.
Im ersten Teil der Studie untersuchte ich, nach einer kurzen historischen Einordnung der grundsätzlichen Formen des Buchstabens, die semantischen Beziehungen, die Bedeutung in der Linguistik, die Wahrnehmung als Klang und die Schwingungen des G im Körper.
Im zweiten Teil habe ich die grafischen Elemente des Buchstabens aufgezeigt und verglichen. Die Form habe ich in Bezug zu anderen Buchstaben gesetzt: welche Formen wurden aufgenommen, wie stehen die Proportionen zueinander. Zur intensiveren Betrachtung untersuchte ich die Innenräume verschiedener Gs. Diese Darstellungsform erlaubt eine Fokussierung auf den Raum, den das Weiß des Blattes, der Hintergrund, einnimmt und für die Sichtbarkeit der Formen von Bedeutung ist.
Da ein Buchstabe selten allein steht, verglich ich die Stellung des kleinen g in einem Buchtext in drei verschiedenen Schriften. Ich stellte einen Text einmal mit Unterlängen einem Text ohne diesen Unterlänge gegenüber. In acht Blöcken, acht bedeutender Schriften, werden die Buchstaben s,a, j, r und o mit der Form des g analysiert.
Dieser Teil der Studie konnte in der Tiefe der Betrachtungen nur ein Ansatz sein. Das weitere Studium der vielen Facetten der Typografie wäre über meine zeitlichen Möglichkeiten weit hinaus gegangen. Für mich war es ein Anfang. Ein wichtiger.
Die Form des Buchstabens drückt den Sinn des Wortes aus.
Adrian Frutiger [2]
Das Zitat regte mich zu einem Experiment an: Könnte es möglich sein, durch nur einen Buchstaben eine Schrift für einen bestimmten Zweck (eine Anwendung und damit ihrem Sinn) auszuwählen?
Mit 35 Teilnehmern aus 3 Bundesländern untersuchte ich die Wirkung von 27 kleinen gs. Die Ergebnisse des Tests sind in die Studie eingeflossen. Die Fortführung dieses Experiments wäre mein Wunsch.
Aus der Studie:
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Daten zur Studie
Das kleine g – Eine experimentelle Studie
Annett Riechert
Textschrift: Museo Sans
Auszeichnung des Buchstabens G: Brill
Format: 180×210
Seiten: 66
Broschur
Druck: Fischer druck&medien, Großpösna [3]
[1] Gorbach Seminare
[2] Adrian Frutiger: Buch der Schriften. Wiesbaden: Matrix Verlag GmbH, 2005
[3] Fischer druck&medien, Großpösna
Erwähnung in:
www.typografie-intensiv.de/typo-blog
Weitere Referenzen: Typografie